„Jazz ist ätzend“ oder Plakate müssen auffallen

Bereits in meiner Jugend erkannte ich, dass Plakate es wert sind, ausge- stellt zu werden. In Mainz, wo ich aufwuchs besuchte ich regelmäßig Aus- stellungen dieser Art, z. B. im Gutenbergmuseum. Ab Mitte der 1960er- Jahre begann ich sie ebenfalls zu sammeln, und mit der Zeit wuchs eine große Sammlung heran.

Im Februar 1982, damals war ich das erste Mal Dozent an der Bayreuther Universität, zeigte ich in einem Raum der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät eine kleine Auswahl meiner Schätze. Nach meiner Zeit an einer Schweizer Universität kam ich an die Bayreuther Hochschule zurück. Als 1986 im Stockwerk über mir eine Wohnung frei wurde, beschloss ich, sie anzumieten und richtete dort ein „Kleines Plakatmuseum“ ein.

Für mich als Literaturwissenschaftler war das Thema der ersten Ausstel- lung klar: „Literatur und Plakat“. Und obwohl das alles neu war für die Bayreuther, kamen doch einige neugierige Besucher. Ein wohlwollender Bewohner der Wagnerstadt nahm mich allerdings beiseite und sagte mir im Vertrauen: „Schön und gut! Aber Literatur ist nicht unbedingt das zen- trale Kulturthema in Bayreuth. Musik ist es! Schauen Sie in das aktuelle Bayreuth-Kulturprogramm. Auf den meisten Seiten wird hier über Musik- veranstaltungen berichtet.“ Insgeheim gilt hier auch das Motto: „Soll dir in Bayreuth was gelingen, musst du es mit Wagner bringen.“ So ganz hat er mich nicht überzeugt, der gute Mann, aber es war eine Überlegung wert.

In der nächsten Ausstellung zeigte ich zwar nicht gleich Musikplakate, sondern Theaterplakate (Nov./Dez. 1986). Hier waren immerhin einige Opernplakate zu sehen: Mussorgsky, Rossini, Verdi und andere Kom- ponisten waren dabei. „Wieder kein Wagner!“ meinten wahrscheinlich einige Besucher. Endlich 1987 war es (oder ich) so weit. Die Ausstellung „Musikplakate“ lockte wohl die meisten Besucher in das kleine Plakat- museum in den ersten beiden Jahren seiner Existenz. WAGNER war auch dabei! Zwar nur mit einem Plakat, doch es war „Der fliegende Hol- länder“, ein Plakat der Opéra du Rhin in Strasbourg, eines der größten Plakate der Ausstellung (Format: 110 x 74 cm). Und es stand ganz oben im Katalogheft zur Ausstellung!

Auf den ersten Seiten fand der Leser darin eine Zusammenstellung der Bildmotive, die am häufigsten für Musikplakate verwendet werden. Ein Porträt des Komponisten gehört zu den am häufigsten verwendeten Motiven. Andere sind: Musikinstrumente, Noten und andere Zeichen, ein Porträt des Dirigenten, der Ort wo z. B. ein Konzert stattfand, bei Musiktheaterplakaten wird gerne andeutungsweise der Inhalt der Oper präsentiert. Die Besucher der jetzigen Ausstellung werden auch auf diese Motive stoßen. Und Wagner ist hier selbstverständlich gut vertreten. Denn in den folgenden Jahren habe ich einige Ausstellungen gezeigt, in denen Wagner, wenn nicht im Mittelpunkt so doch an wichtiger Stel- le stand. So etwa in der Ausstellung „Wagner und Konsorten. Kom- ponistenporträts auf Plakaten“ (Sommer 1998), zu dieser Ausstellung erschien das „etwas andere Komponistenratelexikon“. Oder die Ausstel- lung „Der Cagliostro der Moderne. Richard Wagner zwischen heilig und heiter“. Im Beiheft zu dieser Ausstellung stehen alle Wagner-Plakate, die bis zu diesem Jahr im Kleinen Plakatmuseum zusammengekommen sind, ungefähr 80. Heute sind es weitaus mehr, gut über 100 Plakate. Außer- dem habe ich für dieses Heft einige „Lob- und Lästerreden“ über Wagner zusammengestellt; von Nietzsche stammt das Titelzitat: „Wagners Kunst ist krank. Die Probleme, die er auf die Bühne bringt – lauter Hysteriker- Probleme. Wagner ist der moderne Künstler par excellence, der Cagli- ostro der Moderne.“ Robert Schumann schrieb über ihn: „Gewiss ein geistreicher Kerl voll kühner Einfälle und keck über die Maßen.“

Wie man sieht, bin ich in den fünfunddreißig Jahren, in denen ich nun schon zum Bayreuther Kulturleben beitrage, ganz schön von Wagner infiziert worden. In dieser Einführung habe ich ihm recht viel Platz ein- geräumt. Doch diese Ausstellung hat mehr zu bieten: an die hundert internationale Plakate. Da haben wir z. B. Jazz-Plakate aus der Schweiz, ein Plakat von der Mailänder Scala, ein Plakat mit den Beatles, ein Plakat aus Tokio für das Musical „Les Misérables“, ein Plakat aus dem Jahr 1968 für ein Chanson-Festival auf der Burg Waldeck, ein Plakat für ein Konzert mit Juliette Gréco aus Selb, ein Plakat für ein Konzert mit Chormusik aus der Shakespeare-Zeit, ein Oster-Tango-Konzert mit zwei Hasen mit den für Tango typischen Instrumenten. Ein Plakat für die Operette „Land des Lächelns“, in das die lächelnde Mona Lisa eingearbeitet wurde, und viele andere.

Namhafte Grafiker sind auch dabei, wie François Boisrond, Michael Matthias Prechtl (von ihm z. B. ein kurioses Wagner-Porträt) oder Ro- land Topor. Diese Ausstellung entspricht zwar nicht ganz der Art und Weise, wie die meisten Museen ihre Exponate präsentieren, doch für mich bieten solche Ausstellungen die Möglichkeit eine große Menge von Plakaten wie auf einer riesigen Wand zur Schau zu stellen. So bekommt der Besucher einen Überblick über einen Bereich des Kulturlebens und über die verschiedenen Arten, Plakate zu gestalten. Wie bei vielen Pla- katen gilt auch hier: Man muss mit etwas Ungewöhnlichem auffallen, um Aufmerksamkeit zu erregen. So auf einem Jazzplakat mit einem Toten- kopf, der einen Kopfhörer trägt, um die Trompete, mit der man ihn atta- ckiert, nicht zu hören. Dazu der Satz „Jazz ist ätzend“.


Weitere Informationen zur Ausstellung

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